Damit Ihr seht, dass ich nicht nur von Flechtenbestimmung rede, sondern sie auch praktiziere, füge ich eine, relativ ansehnlich anzusehende Art bei. Es handelt sich um Heterodermia obscurata - was an ihr obskur ist, weiß ich allerdings nicht. (Griechisch heteros = verschieden, derma= Außenhaut: Die Flechte ist auf der Oberseite berindet, auf der Unterseite aber nicht; sie hat also unterschiedliche äußere Oberflächen). Gefunden habe ich sie am 30.5.18 in der Nähe von Queimadas, am Pico das Pedras (Bild 1). Um sie sicher zu bestimmen, musste man an das Mark der Flechte herankommen (vorsichtig mit der Rasierklinge oberflächenparallel schneiden, bis das weiße Mark zum Vorschein kommt -Bild 2). Dann vorsichtig zwei Farbreagenzien auftropfen (Minitropfen von 0,5 mm Durschmesser); siehe beigefügten Maßstab). Anschließend auf die Unterseite ein Reagenz applizieren, um zu sehen, ob sich die dortigen gelben Pigmente blutrot färben (Bild 3). Wenn man dann noch die Lappenbreite und die Wimpernlänge richtig ausgemessen - und die Soralform und -position auf den Lappen - richtig erkannt hat, kann man sie relativ sicher von anderen Heterodermien unterscheiden. Zum Glück gibt es bei dieser Art keine Fruchtkörper (Apothecien); sonst wäre der Aufwand noch viel größer, weil dann mikroskopische Präparate hergestellt werden müssen. Ich denke, der Herr Velvet hat eine Vorstellung davon, wovon ich rede.
Ojeh, ich alte Heterodermie möchte lieber nicht unters Messer von Doktor Ulrich kommen, da kommt das rote Blut und weisse Mark zum Vorschein, da wird mir gleich ganz anders. Die Flechten auf der Haut sind schon ganz grün.
ich hatte mich bei den "unbekannten Höheren Pflanzen" zu der Aussage verleiten lassen, dass Flechtenbestimmung in der Regel aufwendiger ist als die von Pflanzen. Dieser Beitrag sollte das unterstreichen. Mir fällt es mit meinen Arthrosefingern immer schwerer, solch kleine Objekte zu bearbeiten - oft geht das schief, Auch das Auftragen eine Tröpfchen von < 0,5 mm (ohne dass die Rinde davon etwas abbekommt - weil die auf das Reagenz anders reagieren kann), ist nicht ganz ohne.
ulrich:Ich denke, der Herr Velvet hat eine Vorstellung davon, wovon ich rede.
Jau, der hat sogar eine sehr genaue Vorstellung davon...
Und hallo Ulrich,
die Herstellung mikroskopischer Präparate kann tatsächlich sehr zeitaufwendig sein und da musste ich doch manchmal eine sture Beharrlichkeit an den Tag legen. Schlimmer fand ich jedoch die Dosierung der Reagenzien, vor allem wenn man nur sehr kleine Flechtenproben zur Verfügung hatte. Zumindest habe ich mir immer sehr große Mühe gegeben sie nicht zu ertränken, mit recht unterschiedlichem Erfolg...
Habe mich damals auch immer wieder gefragt, warum Flechten, die selbst unter der Lupe morphologisch nicht zu unterscheiden sind, nur anhand ihrer Inhaltsstoffe in verschiedene Arten aufgetrennt werden. Naja, die Flechtensystematiker werden schon wissen was sie da tun...
Habe mich damals auch immer wieder gefragt, warum Flechten, die selbst unter der Lupe morphologisch nicht zu unterscheiden sind, nur anhand ihrer Inhaltsstoffe in verschiedene Arten aufgetrennt werden. Naja, die Flechtensystematiker werden schon wissen was sie da tun...
Gruß Velvet
Hallo Velvet,
Wem sagst Du das (seufz) mfg Ulrich
P.S. Die Applikation der Reagenzien gelingt ganz gut, wenn man eine sehr feine Pinzette (Splitterpinzette, Juwelierpinzette) in das Reagenz taucht und dann mit der Pinzettenspitze einen Minitropfen (unter der Stereolupe) aufbringt (ist aber nichts für Leute mit zittrigen Händen).
so eine Pinzette hatte ich in der Tat auch schon einmal. Die war für meine (damaligen) Verhältnisse doch recht teuer und man musste extrem konzentriert damit arbeiten. Wenn man die nämlich nicht vorsichtig in ein Reagenzglas tauchte sondern statt dessen beispielsweise in die Tischplatte gerammt hat, dann war die Halbwertszeit dieses Hilfsmittels doch sehr gering. Und nach der zweiten Pinzette bin ich dann dazu übergegangen, im Zweifelsfalle doch lieber die eine oder andere Flechtenprobe zu opfern.
Aber mal schauen, vielleicht werde ich mich als Rentner doch mal wieder etwas mehr mit den Flechten beschäftigen. Auch wenn die eine oder andere Pinzette darunter leiden sollte...
eine habe ich auch geknöchelt, aber die anderen (gerade und gebogene) halten bisher (vielleicht auch, weil ich bei jedem Transport die Schutzhülle drauf setze). Habe im Internet nachgesehen: Die geraden kosten 9,90 Euro (weiß aber nicht, ob das die wirklich guten sind). Ansonsten sind auch Reagenzgläser für die Spottest-Reagenzien nicht der richtige Aufbewahrungsort. Solltest Du wirklich wieder einmal einsteigen, sende ich Dir einen Set mit kleinen Tropffläschchen zu, deren Pipetten so spitz und fein sind, das man die Chemikalien in winzigen Mengen auftragen kann. Aber beile Dich mit Deinem Entschluss: Wer weiß, wie lange ich noch im Geschäft bleibe
also Pinzetten sind heute nicht mehr das Problem. Aber damals gab es noch kein Internet, von Amazon oder Pinzetten-billiger.de ganz zu schweigen. Nur ein Laden für Labor-Bedarf in der Nähe der Uni, und dort kostete eine etwas bessere und spitze Pinzette um die 30 DM. Das war für einen relativ armen Studenten schon viel Geld, das man gerne auch anderweitig unters Volk gebracht hat...
Da ist die Sache mit den Tropffläschchen und den spitzen Pipetten schon viel interessanter. So etwas habe ich bisher immer erfolglos gesucht. Hast du da eine Bezugsadresse wo man die bestellen kann? Ansonsten werde ich dich beizeiten noch mal belästigen
falls Du auch in Gießen studiert haben solltest, war das bestimmt das Geschäft "Egner" o.ä. in der Frankfurter Straße. Da habe ich ebenfalls mein erstes Präparierbesteck gekauft - und fand das damals sauteuer. Von den Pipettenfläschchen habe ich vor mindestens einem Jahrzehnt von einer freundlichen Mitarbeiterin einer Herstellerfirma einen ganzen Karton geschenkt bekommen (war wohl von einer Bestellung übrig geblieben - später haben die keine davon mehr hergestellt). Den größten Teil habe ich verschenkt, besitze aber immer noch ausreichend davon, um Dir bei Bedarf drei zuzusenden (für K, C, P). Melde Dich bitte gegebenenfalls.