bacalhau:Und dann noch eine Flechte, die aussieht wie eine Koralle. Oder ist es ein Pilz?
Hallo bacalhau,
wie Ulrich schon richtig geschrieben hat, es handelt sich dabei um einen Pilz. Und vermutlich auch um eine Koralle Könnte vielleicht die Steife Koralle (Ramaria stricta) sein...
Eine auf Madeira erstaunlich selten anzutreffende Gattung sind die Schönfleckflechten (Caloplaca; griechisch calos = schön; plakous = flacher Kuchen). Man findet sie bevorzugt auf kalkreichem Gestein (was auf dieser vulkanischen Insel relativ selten vorkommt) und auf nährstoffreichen Borken. Das beigefügte Bild zeigt Caloplaca haematites. Man erkennt sie an dem doppelten Rand der Fruchtkörper (Apothecien): Der äußere Rand ist dunkelgrau, der innere hingegen gelb bis hell orange. Die Flechte gilt als selten (in Deutschland ausgestorben). Ich habe sie auf einem Apfelbaum in der Nähe von Camacha (Richtung Assomada) entdeckt. Sie lag lange unbestimmt in meinem Herbar; erst kürzlich hat sie ein (tschechischer) Spezialist identifiziert. Daher war sie beim Fotografieren nicht mehr ganz taufrisch und ein wenig ausgeblasst: Die Apothecienscheibe ist normalerweise tiefrot bis braunrot (daher der Name: griechisch haima = Blut).
Sticta limbata heißt für mich "Schrotschussflechte", weil sie auf der Lappenunterseite Durchbrechungen der Rinde aufweist, die so scharf berandet sind, als wäre dort ein Schrotkorn eingeschlagen. Die Flechte besitzt Blaualgen als Symbiosepartner, weshalb sie im gequollenen Zustand eine schwärzliche Färbung annimmt. Sie ist ein Bewohner sehr feuchter, wintermilder Umgebung, findet sich also im Laurisilva ... und kommt in Mitteleuropa (noch) nicht vor. mfg Ulrich
die für diese Art normalerweise typisch ausgebildeten Randsorale sind auf dem Foto nicht wirklich gut zu erkennen. Liegt das vielleicht daran, dass es sich hier um ein recht junges Exemplar handelt?
Du schaust natürlich mit dem Auge des Kenners und hast Recht, dass man die Randsorale nicht gut erkennen kann. Wenn Du aber bei den älteren Lappenteilen, nahe der Basis (also zum Zentrum hin) schaust, kann man dort die Randsorale erkennen. Um Dich zu überzeugen, habe ich die Flechte noch einmal aus meinem Herbar hervorgeholt und erneut (diesmal also im trockenen Zustand und mit stärkerer Vergrößerung) fotografiert: Nun kann man die Randsorale deutlich sehen. Links übrigens die Lappenunterseite mit dem Filz und den weißlichen und rundlichen Pseudocyphellen.
Ich wünsche ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute im kommenden Jahr. mfg Ulrich
als Kenner hast Du natürlich sofort den "wunden" Punkt entdeckt. Wenn Du aber genau hinsiehst, erahnst Du an den älteren Lappenrändern (nahe des Zentrums) die von Dir (zu Recht) geforderten Sorale. Um Dich endgültig zu überzeugen, habe ich die entsprechende Flechte (Sticta limbata) aus dem Herbar hervorgeholt und sie erneut fotografiert - diesmal im trockenen Zustand und mit stärkerer Vergrößerung (wenn auch nun etwas nachgebräunt). Nun sind die Randsorale gut zu erkennen. Links im Bild sieht man übrigens die Unterseite eines Lappens, mit Filz und rundlichen, weißlichen Pseudocyphellen (Atemporen).
Ich wünsche frohe Weihnachten und alle Gute für das kommende Jahr.
ulrich:Wenn Du aber genau hinsiehst, erahnst Du an den älteren Lappenrändern (nahe des Zentrums) die von Dir (zu Recht) geforderten Sorale.
Hallo Ulrich,
tja, bei Flechten sollte man halt immer etwas genauer hinschauen Wollte im übrigen die Artdiagnose auch gar nicht anzweifeln. Fühlte mich nur an die Anfänge meiner Flechtenbestimmungen erinnert, wo ich öfter mal im Bestimmungsschlüssel vor der Alternative stand "Sorale oder Isidien" und von beidem nix zu sehen war. Das waren dann immer so Momente, wo ich einfach nur noch die Beine hochlegen und eine Flasche Bier aufmachen wollte...
tja, bei Flechten sollte man halt immer etwas genauer hinschauen Wollte im übrigen die Artdiagnose auch gar nicht anzweifeln. Fühlte mich nur an die Anfänge meiner Flechtenbestimmungen erinnert, wo ich öfter mal im Bestimmungsschlüssel vor der Alternative stand "Sorale oder Isidien" und von beidem nix zu sehen war. Das waren dann immer so Momente, wo ich einfach nur noch die Beine hochlegen und eine Flasche Bier aufmachen wollte...
Gruß Velvet
Hallo Velvet,
wenn ich bei jedem Zweifel während meiner Flechtenbestimmungsversuche ein Bier aufgemacht hätte, wären in den letzten 45 Jahren nicht so viele Brauereien in Konkurs gegangen ;-). Im Übrigen gibt es eine ganze Reihe erprobter Strategien, wie man dieser Probleme Herr werden kann. Anbei ein erstes Beispiel:
Flechtenbestimmung
von Ute Wernicke
Die Flechte schmiegt sich an den Baum, ganz winzig klein, man sieht sie kaum. Dem Flechtenfreund ist sofort klar: Es ist ein selt`nes Exemplar, das noch in seiner Sammlung fehlt drum wird die Rinde abgeschält; die Tüte birgt das gute Stück, und er eilt heim - welch Sammlerglück!
Weil es ja nicht lang dauern kann (!), macht er sich unverzüglich dran, holt Mikro, Bino, Buch herbei und wählt den Gattungsschlüssel zwei, kommt gut voran, sagt fünfmal:“Passt“ (und zehnmal - zugegeben - „fast“). Er schlüsselt aus bei 30 Stern und freut sich; „Ja, die hätt` ich gern!“ Jedoch - die Stirn schlägt Sorgenfalten: Es gibt sie nur in Gletscherspalten!
Der Fehler lag bei den Rhizinen, die ihm ganz unverzweigt erschienen, nun aber hat er, ganz versteckt, die Flaschenbürstenform entdeckt. Er merkt, hier ging die Spur verlor`n und er beginnt noch mal von vorn. Er müht sich sehr, doch irgendwie klappt es jetzt nicht mit der Chemie, die er laut Buch zu Hilfe rief: Statt dunkelrot wird es oliv.
Zudem quält ihn das Unbewusste: „Du liegst ganz falsch, das ist `ne Kruste!“ Die Flechte liegt unschuldig, stumm unter dem Mikroskop herum und wartet drauf, dass er errät das Rätsel der Identität. Der dünne Schnitt will nicht gelingen, die präparierten Stückchen springen ins Nirgendwo, der Tropfen quillt, die Sporen schwimmen aus dem Bild.
Die Zeit vergeht und auch der Mut - ein Buch mit Fotos wär jetzt gut. Auf Seite hundertfünfzig oben ist eine mit den gleichen Loben, und ganz egal, was er noch findet, er sagt: „Beschlossen und verkündet!!!“
mfg Ulrich
P.S. Der Spruch "Beschlossen und verkündet" stammt von unserem ältesten Mitglied im Flechtenbestimmungskreis. Dieses Dictum hat Ute immer mächtig imponiert, wenn wir mit einer Art fertig waren. Was übrigens nicht heißt, dass wir mit unseren Bestimmungen immer richtig lagen :-(.
Und hier wieder einmal eine Krustenflechte mit auffallenden Fruchtkörpern (Apothecien). Es handelt sich um Coenogonium luteum (lateinisch luteus = safrangelb). Obwohl sie in Mitteleuropa sehr selten ist, gibt es hier doch einen deutschen Namen: Gelbe Krügleinflechte. Sie bevorzugt atlantische, niederschlagsreiche Lagen und kommt dort an der Borke alter Laubbäume vor (meist über Moosen) . Ich habe sie bei Chao do Louros an einem alten Lorbeerbaum entdeckt. mfg Ulrich
Diese Anleitung wendet sich v.a. an Velvet (um ihn vor dem Alkoholismus zu bewahren; siehe seine diesbezügliche Anmerkung kurz zuvor)
EIN STRATEGISCHER ANSATZ ZUR FLECHTENIDENTIFIKATION
Die MLA (Mittelhessische lichenologische Arbeitsgemeinschaft) in Gießen enthält einen Schatz an Sachkenntnis, der sich zwischen Amateuren und professionellen Lichenologen, Anfängern und Experten aufteilt. Dieser Artikel feiert diese Hauptstadt des Wissens jedoch nicht, sondern erkundet stattdessen die Findigkeit und Genialität, die wir an den Tag legen, wenn wir Herausforderungen gegenübergestellt werden. Wir haben auf die Erfahrungen von MLA-Mitgliedern zurückgegriffen, um diesen strategischen Ansatz zur Flechtenidentifikation zu entwickeln.
Strategie 1: Ablehnung • Ich sehe keine Flechten. • Entscheiden Sie, dass Sie sich heute einfach nur an ihrer Schönheit erfreuen wollen. Strategie 2: Kreativität • Verbinden Sie optimistisch das Flechtensammeln mit Segeln, Heißluft-Ballonfahren, Höhlentauchen oder Häkeln.
Strategie 3: Unfähigkeit • Vergessen Sie Ihre Sammeltüten. Es kann sinnvoll sein, dass Sie Ihre Proben in der Hosentasche verstauen; sie werden den Gang durch die Waschmaschine sicher nicht überleben. • Sammeln Sie nur winzige, unidentifizierbare Fetzen. • Verlieren Sie Ihre Probe. Wenn sich das nicht vor Ort durch ungeschicktes Verhalten realisieren lässt, kann dies noch erreicht werden, indem man sehr kleine Probestücke in einer Tüte mixt und zu größeren Proben vereint. • Versäumen Sie, den Flechtenfundort aufzuzeichnen, weil es dann nur noch wenig Sinn macht, die Probe zu identifizieren. • Vergessen Sie, die Probe einzufrieren, so dass Sie Monate später nur noch tote Milben und ihre Exkremente in der Tüte vorfinden. • Öffnen Sie die Schachtel unachtsam, so dass die Stücke durch das Zimmer geschleudert werden und letztlich in der Deponie enden. • Gehen Sie kräftig zu Werke, wenn Sie versuchen, das letzte Apothecium zu schneiden. Vielleicht verschwindet es im Nirwana.
Strategie 4: Zurück zu den Grundlagen • Die Bilder im „Wirth“ sind immer ein Durchblättern wert ...
Strategie 5: Verschlagenheit • Geben Sie Ihre Probe unbemerkt jemand anderem. • Sammeln Sie nur schon von einer anderen Person identifizierte Flechten.
Strategie 6: Alkohol • Nehmen Sie noch ein Bier und sehen Sie, ob Dinge klarer werden, (falls notwendig, wiederholen). • Sollte Bier nicht helfen, nehmen Sie Sekt; er erhöht die Entscheidungsfreudigkeit.
Strategie 7: Wunschdenken • Errichten Sie einen Stapel mit all Ihren schwer zu identifizierenden Proben und versprechen sich, später zu ihnen zurückzukehren. Dies gibt Ihnen eine geschönte Sicht Ihrer Leistungen.
Strategie 8: Die Unvermeidlichen • Nehmen Sie unbekannte Proben zu Treffen mit und fragen jeden, was er davon hält.
Wir hoffen, dass diese Ratschläge Ihnen helfen werden, Ihre Abhängigkeit von unnötigen und langatmigen Maßnahmen im Streben nach einer Identifikation - wie der Verwendung von Schlüsseln, chemischen Reaktionen, Dünnschichtchromatographie und die mühevolle Untersuchung von Sporen - zu reduzieren und damit eine Verminderung diagnostizierter Fälle des Flechten-Phobie-Syndroms zu erreichen.
Mike Sutcliffe & Katie Grundy; masutcliffe@hotmail. Korn und k. c.grundy@sms. Ed. ac. uk (übersetzt und verändert von U.K.)