30.04.16 17:48
Velvetnicht registriert
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Naturschutz im Vergleich - Madeira und Mallorca
Nabend zusammen,
normalerweise schreiben wir keinen Bericht, wenn wir mal auf einer anderen Insel Urlaub gemacht haben, sondern schicken höchstens einen Urlaubsgruß. Da sich während der letzten Jahre aber auf beiden Inseln deutliche Veränderungen im Bereich der Vegetation - insbesondere im Gebirge - vollzogen haben, ist es vielleicht für den einen oder anderen Blumenfreund doch interessant, etwas darüber zu lesen.
Das letzte Mal, dass Herr Velvet (zusammen mit zwei anderen Freaks) im Frühjahr auf Mallorca war, ist etwa 20 Jahre her. Die Erinnerungen gehen zwar nicht mehr ins Detail, aber es war doch so, dass wir uns jeden Tag ein Ziel ausgesucht haben, dort eine ganze Zeit lang durch die Gegend gestromert sind und regelmäßig die eine oder ander interessante Pflanze erlegt wurde. Insgesamt sehr positive Erinnerungen also...
Im Flachland und den zentralen Anhöhen hat sich im Wesentlichen nicht allzu viel geändert, aber was wir im Gebirge zu sehen (bzw. nicht zu sehen) bekamen, hat bei Herrn Velvet ein gelindes Entsetzen ausgelöst. Die erste Vermutung, dass eventuell ein kaltes Frühjahr dafür verantwortlich gewesen sein könnte, wurde nach einiger Zeit verworfen. Statt dessen gerieten immer mehr die Ziegen ins Visier, die regelmäßig anzutreffen waren. Zudem wurde die Vegetation immer wieder von einer begrenzten Anzahl von Arten dominiert, die entweder extrem giftig, extrem stachelig oder aus anderen Gründen extrem unverdaulich sind. Alles andere, was sich mehr als 2 mm aus dem Boden wagte, wurde offensichtlich gnadenlos abgefressen. Eine kurze Recherche im Internet brachte die Bestätigung. Laut einem Bericht aus dem Jahre 2009 wurde der Bestand an verwilderten Ziegen auf 40.000 bis 60.000 geschätzt, wohingegen die Natur etwa nur 12.000 bis 13.000 vertragen würde. Die Inselregierung ist sich dieser Problematik auch durchaus bewusst und hat schon damals etwa 30.000 Ziegen zum Abschuss freigegeben. In den Griff bekommen hat man das Problem dadurch allerdings nicht und es ist zu befürchten, dass sich der Bestand mittlerweile sogar noch vergrößert hat. Und da nützt es auch nix, wenn man in die Welt hinaus posaunt, dass bereits 40 % der Insel unter Naturschutz stehen. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch ein extrem schwieriges Unterfangen, in dem unwegsamen Gelände Ziegen effektiv zu bejagen. Und so wird es wohl auch weiterhin zu vielsagenden Begegnungen kommen wie am Kap Formentor, wo auf einem großen Schild die biologische Vielfalt angepriesen wurde und was man gefälligst alles zu tun und zu lassen hätte, damit sich die Tiere und Pflanzen nicht belästigt fühlen. Und direkt daneben fünf Ziegen, die sich genüsslich die biologische Vielfalt (bzw. das was davon noch übrig war) in den Pansen stopfte.
Ein wahrer Alptraum war beispielsweise auch der Weg zur Cala Boquer im Nordosten der Insel. Das dazugehörige Tal gehört laut einem Naturwanderführer zu den schönsten Gebieten auf der Insel, das dazu auch noch für sein Vogelreichtum berühmt sein soll. Schön war dort nur das Panorama, die Vegetation war bis auf die üblichen unbekömmlichen Arten komplett kahl gefressen, statt dessen unübersehbare Erosionsschäden. Und was die Vögel betrifft, vielleicht waren wir zur falschen Jahreszeit unterwegs, gefühlt gab es davon im näheren Umfeld unseres Ferienhauses jedenfalls deutlich mehr. Zum Leidwesen von Frau Velvet auch eine völlig bekloppte Samtkopf-Grasmücke, die sich jeden Morgen mit ihrem Spiegelbild im Schlafzimmerfenster anlegte und dabei permanent gegen die Scheiben tockerte...
Zunächst erst einmal das Fenster mit irrem Blick fixieren,
dann blindwütig attackieren
und zwischendurch immer wieder kontrollieren. ob es irgend jemanden beeindruckt hat.
Naja, beeindruckt waren wir nicht sonderlich, dafür allerdings wach... Vandalismus war für ihn auch kein Fremdwort, worunter vor allem der Rahmen des kleinen Toilettenfensters leiden musste.
Und da dieser Vogel nun in keinster Weise auch nur annähernd mit den Spechten verwandt ist, dürfte er sich vermutlich schon vor einiger Zeit das Gehirn aus dem Schädel gehämmert haben.
Aber wir schweifen ab... Den Wanderfreuden tut das alles jedenfalls keinen Abbruch, man bekommt jede Menge grandiose Landschaften und spektakuläre Ausblicke geboten. Und hin und wieder findet man tatsächlich auch mal eine kleine Pflanze, die von den Ziegen übersehen wurde. Für botanisch ausgerichtete Wanderungen ist das allerdings deutlich zu wenig, da sollte man sich mehr im zentralen Bereich der Insel bewegen. Trotz relativ intensiver landwirtschaftlicher Nutzung bekommt man dort immer noch genug zu sehen, ebenso wie auf den zentralen Anhöhen und an mehreren Küstenbereichen.
So findet man auf Mallorca beispielswese das Gegenstück zur allseits bekannten Niederliegenden Sibthorpie (Sibthorpia peregrina), nämlich die Afrikanische Sibthorpie (Sibthorpia africana).
Namensverwirrungen sind auch hier an der Tagesordnung, denn obwohl sie "africana" heißt, kommt sie nur auf den Balearen vor und ist somit ein Endemit, ebenso wie ihre verwandte Art auf Madeira. Im Gegensatz dazu das Balearen-Alpenveilchen (Cyclamen balearicum), welches auch in Süd-Frankreich zu finden ist.
Und dann gibt es natürlich auch noch die Ragwurze, kleine Orchideen, die auf Madeira mangels Kalk nicht vorkommen.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat Frau Velvet diese Ragwurze zu "Clown-Orchideen" umgetauft.
Wie schon anfangs erwähnt, hat sich die Vegetation in der Bergwelt Madeiras während der letzten Jahre offensichtlich ebenfalls deutlich verändert, allerdings zum Positiven. Dies wurde hier schon mal in einem anderen Bericht (Veränderungen in der Flora von Madeira) thematisiert. Dort wurde bereits vermutet, dass diese positive Veränderung auf das Beweidungsverbot zurück zu führen ist. Nach dem, was wir auf Mallorca gesehen haben, ist es nun keine Vermutung mehr, sondern mit Sicherheit der Hauptgrund.
In der Hoffnung, dass Madeira nicht auch irgendwann mal von verwilderten Ziegen verseucht wird die beiden Velvets
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